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Mandanteninformationen für Steuerpflichtige im Privatbereich Oktober 2018


Liebe Mandantin, lieber Mandant,


auch im vergangenen Monat hat sich rund um Steuern, Recht und Betriebswirtschaft einiges getan. Über die aus unserer Sicht wichtigsten Neuregelungen und Entscheidungen halten wir Sie mit Ihren Mandanteninformationen gerne auf dem Laufenden. Zögern Sie nicht, uns auf einzelne Punkte anzusprechen, wir beraten Sie gerne!

Mit steuerlichen Grüßen


Stephan Gißewski, Steuerberater


Inhalt

1.

Wann vom Arbeitgeber gezahlte Fortbildungskosten nicht zurückgezahlt werden müssen

2.

Besteuerung einer Abfindung für Grenzgänger bei Wegzug

3.

Urlaubstage abgerundet: Arbeitgeber muss Schadensersatz zahlen

4.

44-EUR-Freigrenze für Sachbezüge: Inwieweit sind Versandkosten zu berücksichtigen?

5.

Gleichgeschlechtliche Ehepaare: Splittingtarif kann rückwirkend angewendet werden

6.

Wann ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen auf Einkommensteuervorauszahlungen zulässig?

7.

Keine Kostendeckelung bei der 1 %-Regelung

8.

Erste Tätigkeitsstätte: Was gilt bei einer Fortbildungseinrichtung?

9.

Wann liegt eine mehraktige Berufsausbildung vor?

10.

Vermietung einer Einliegerwohnung als Homeoffice an den Arbeitgeber: Welche Werbungskosten können abgezogen werden?

11.

Keine offenbare Unrichtigkeit bei fehlerhafter Einschätzung des Finanzbeamten

12.

Arbeitslohn oder kein Arbeitslohn: Was gilt bei Schadenersatz wegen überhöhter Einkommensteuer-Festsetzung

13.

Was gehört zur Bemessungsgrundlage bei der Grunderwerbsteuer?

14.

Jederzeit warmes Wasser dürfen Mieter auch im Sommer erwarten

15.

Betriebskosten: Umlegung muss im Mietvertrag vereinbart sein

16.

Carport auf Stellplatz trotz herunterfallender Früchte unzulässig



1. Wann vom Arbeitgeber gezahlte Fortbildungskosten nicht zurückgezahlt werden müssen

Eine Rückzahlungsvereinbarung über Fortbildungskosten, die mehr als ein halbes Jahr nach Beginn der Ausbildung unterzeichnet wird, ist unwirksam.

Hintergrund

Der Arbeitgeber musste bei einem Zertifizierungsverfahren im Herbst 2014 nachweisen, dass er über mindestens 2 Fachpfleger für Intensivpflege und Anästhesie verfügt. Da es für ihn zu der Zeit nicht möglich war, Fachkräfte mit dieser Qualifizierung auf dem Arbeitsmarkt zu finden, suchte er per Aushang 2 Mitarbeiter, die er zu Fachpflegern für Intensivpflege und Anästhesie qualifizieren wollte. Hierzu sollten sie eine 2-jährige Fachweiterbildung absolvieren, die zu einem staatlich anerkannten Abschluss führte. Die Arbeitnehmerin begann die Weiterbildung im Jahr 2014 und schloss sie 2016 erfolgreich ab. 2017 kündigte sie das Arbeitsverhältnis. Daraufhin forderte der Arbeitgeber die Rückzahlung der Fortbildungskosten von rund 38.500 EUR.

Seiner Ansicht nach enthielten die tariflichen Regelungen eine umfassende und abschließende Regelung zur Rückzahlung. Zudem hatte der Arbeitgeber eine Rückzahlungsverpflichtung der Arbeitnehmerin in einer Fortbildungsvereinbarung festgehalten.

Entscheidung

Die Klage des Arbeitgebers hatte keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht entschied, dass die Rückzahlungsvereinbarung im Fortbildungsvertrag unwirksam war. Denn diese war erst mehr als ein halbes Jahr nach Beginn der Ausbildung unterzeichnet worden.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Vereinbarung einer Rückzahlung von Ausbildungskosten durch den Arbeitnehmer nur dann zulässig, wenn dieser mit der Ausbildung eine angemessene Gegenleistung für diese Rückzahlungsverpflichtung erhält. Auch muss dem Arbeitnehmer vor Beginn des Vertragsverhältnisses klar sein, unter welchen Voraussetzungen und in etwa welcher Höhe die Vergütung zurückgezahlt werden muss.

Im vorliegenden Fall hatte jedoch die Arbeitnehmerin bei Fortbildungsbeginn die Folgen, insbesondere die Bindung an den Arbeitgeber und die Rückzahlungsverpflichtungen, sowie die Folgen eines Ausbildungsabbruchs nicht absehen können. Denn zu diesem Zeitpunkt befand sie sich noch in der arbeitsvertraglichen Probezeit des Arbeitsverhältnisses.

Auch nach dem geltenden Tarifvertrag ergab sich keine Rückzahlungsverpflichtung der Arbeitnehmerin. Nach diesem musste die Fortbildung einerseits auf Veranlassung des Arbeitgebers stattfinden, andererseits "im Rahmen des Personalbedarfs". Eine Fortbildung erfolgt aber nur dann "im Rahmen des Personalbedarfs", wenn beim Arbeitgeber in einem 3-jährigen Bindungszeitraum wahrscheinlich Stellen zu besetzen sind, für die eine durch die Weiterbildung erworbene Qualifikation Voraussetzung ist. Dies war hier nicht erfüllt. Denn die Arbeitnehmerin wurde nach ihrer Fortbildung nicht im Bereich der Intensivpflege und Anästhesie eingesetzt. Es gab auch keine entsprechende Planung. Die Qualifikation diente vielmehr in ganz überwiegendem Umfang dem Arbeitgeber, der hierauf für die Zertifizierung und Abrechnung gegenüber den Kostenträgern angewiesen war.

2. Besteuerung einer Abfindung für Grenzgänger bei Wegzug

Zieht ein Grenzgänger ins Ausland um, unterliegt eine an ihn gezahlte Abfindung während eines bestehenden Dienstverhältnisses zumindest teilweise der inländischen Steuerpflicht. Grundlage für die Ermittlung des steuerpflichtigen Anteils sind die in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitstage.

Hintergrund

Der Kläger hatte bis Ende November 2008 seinen Wohnsitz in Deutschland. Dann verzog er nach Frankreich und arbeitete weiterhin bei seinem inländischen Arbeitgeber. Seinen laufenden Arbeitslohn versteuerte der Kläger als Grenzgänger in Frankreich. Das Arbeitsverhältnis endete mit Aufhebungsvertrag zum 30.9.2014, woraufhin der Kläger eine einmalige Abfindung erhielt. Seit Oktober 2014 steht er in einem neuen Beschäftigungsverhältnis und auch diesen Arbeitslohn versteuert er als Grenzgänger in Frankreich.

Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Abfindung teilweise dem Lohnsteuerabzug unterlag, und zwar zu 260/330. Der Kläger war nämlich an 330 Monaten beim früheren Arbeitgeber beschäftigt und hatte davon an 260 Monaten seinen Wohnsitz im Inland gehabt. Der Kläger war dagegen der Ansicht, dass diese im Inland steuerfrei war.

Entscheidung

Das Finanzgericht folgte der Argumentation des Finanzamts und entschied, dass die Abfindung anteilig steuerpflichtig war, und zwar soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlagen. Der Mitarbeiter war während des Beschäftigungsverhältnisses über einen Zeitraum von 260 Monaten im Inland wohnhaft. Zumindest insoweit unterlag deshalb die Abfindung der inländischen Besteuerung. Die sog. Grenzgängerregelung kam lediglich für eine laufende, aktive Tätigkeit zur Anwendung. Die Abfindung bezog sich jedoch auf eine vergangene Tätigkeit.

3. Urlaubstage abgerundet: Arbeitgeber muss Schadensersatz zahlen

Mit dem Urlaubsanspruch seiner Mitarbeiter muss der Arbeitgeber sorgfältig umgehen. Deshalb dürfen Urlaubstage nicht einfach abgerundet werden. Macht der Arbeitgeber das doch, ohne dass es eine gesetzliche Grundlage gibt, ist er dem betroffenen Arbeitnehmer zu Schadensersatz verpflichtet, hat jetzt das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Hintergrund

Einer Fluggastkontrolleurin standen genau 28,15 Tage Urlaub zu. Der Arbeitgeber rundete diesen Anspruch aus praktischen Gründen auf 28 Tage ab. Die Arbeitnehmerin klagte deshalb vor Gericht auf Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub für 0,15 Arbeitstage Urlaub. Dieser war durch die Abrundung durch den Arbeitgeber zu Unrecht verfallen.

Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass Urlaubsansprüche, die sich auf einen Bruchteil von weniger als 0,5 Tagen belaufen, auf volle Arbeitstage abgerundet werden mussten.

Entscheidung

Eine Abrundung des Anspruchs auf 28 Arbeitstage kam nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ohne eine gesonderte Rundungsvorschrift nicht in Betracht. Da eine solche Rundungsregelung weder im Bundesurlaubsgesetz noch im geltenden Tarifvertrag (MTV) enthalten war, durfte der Arbeitgeber den Urlaub nicht einfach abrunden.

Nach dem Bundesurlaubsgesetz sind bei Teilurlaub Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden.

Für die Begründung des Arbeitgebers, nach dem MTV müssten aus Praktikabilitätserwägungen Urlaubstage bei weniger als einem halben Tag abgerundet werden, fand das Gericht keinen Hinweis im Wortlaut der Tarifvorschrift. Für eine ergänzende Tarifauslegung war mangels Tariflücke kein Raum. Die Kommentierung des Tarifvertrags konnte nicht herangezogen werden, da sie nicht Bestandteil der kommentierten Tarifregelung war.

Somit hatte der Arbeitgeber den Anspruch der Arbeitnehmerin auf Gewährung ihrer Urlaubstage nur teilweise, nämlich durch die Gewährung von Urlaub an 28 Arbeitstagen erfüllt. 0,15 Urlaubstage wurden nicht gewährt. Dieser Resturlaubsanspruch war spätestens mit Ablauf zum 31.3.2017 untergegangen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Arbeitgeber mit der Urlaubsgewährung in Verzug befunden, sodass die Arbeitnehmerin Anspruch auf Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub hatte.

4. 44-EUR-Freigrenze für Sachbezüge: Inwieweit sind Versandkosten zu berücksichtigen?

Für Sachprämien des Arbeitgebers gilt die 44-EUR-Freigrenze. Liefert der Arbeitgeber diese nun in die Wohnung des Arbeitnehmers, liegt eine zusätzliche Leistung vor. Deren Wert muss in die Berechnung der Freigrenze mit einbezogen werden.

Hintergrund

Die Arbeitgeberin A gewährte ihren Mitarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen Sachprämien, die über die Firma X bezogen werden konnten. Jeder bezugsberechtigte Mitarbeiter konnte aus der Angebotspalette der X einen Sachbezug auswählen. Anschließend bestellte A die Ware bei X. Daraufhin stellte X der A die Sachbezüge mit 43,99 EUR zuzüglich einer Versand- und Handlingspauschale von 6 EUR in Rechnung. Nach Bezahlung der Rechnung versandte X die Ware an den jeweiligen Mitarbeiter oder händigte die Waren der A zur Verteilung im Betrieb aus.

Das Finanzamt rechnete die Versand- und Handlingspauschale dem Wert der Sachzuwendungen hinzu. Wegen Überschreitung der 44-EUR-Freigrenze erließ es einen entsprechenden Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid. Die Klage der A gegen diesen Bescheid hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg.

Entscheidung

Der Wert des vom Arbeitnehmer erlangten Sachvorteils ist mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen. Vergleichspreis ist der günstigste Einzelhandelspreis am Markt, da der Letztverbraucher regelmäßig das günstigste Angebot annehmen wird. Markt in diesem Sinne sind alle gewerblichen Anbieter, von denen die konkrete Ware gewöhnlich bezogen werden kann, also der Einzelhandel.

Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Liefer- und Versandkosten nicht zu diesem Endpreis gehören. Es handelt sich dabei nämlich nicht um die Gegenleistung des Letztverbrauchers für die Ware. Liefert der Arbeitgeber die Ware in die Wohnung des Arbeitnehmers, liegt eine zusätzliche Leistung vor. Diese erhöht aber nicht den Warenwert, sondern ist als weiterer Sachbezug gesondert zu bewerten. Ist der Versand als eigenständige Leistung ausgewiesen, tritt der geldwerte Vorteil aus der Lieferung "nach Hause" bei der Berechnung der Freigrenze zum Warenwert hinzu.

Der Bundesfinanzhof konnte jedoch nicht entscheiden, sondern verwies den Fall an das Finanzgericht zur weiteren Sachaufklärung zurück. Nicht klar ist, ob sich das Finanzamt am niedrigsten Endverbraucherpreis orientiert hat. Denn es ging von den Beträgen aus, die der A von X in Rechnung gestellt wurden (43,99 EUR plus Versandkosten). Das Geschäftsmodell der X lässt jedoch vermuten, dass der Rechnungsbetrag nicht den Einzelhandelspreis abbildete. Denn bei der Verschiedenheit der zugewandten Prämien ist es kaum wahrscheinlich, dass der stets in gleicher Höhe abgerechnete Betrag von 43,99 EUR den jeweiligen Marktpreis darstellte.

5. Gleichgeschlechtliche Ehepaare: Splittingtarif kann rückwirkend angewendet werden

Gleichgeschlechtliche Ehepaare können rückwirkend vom Splittingtarif profitieren. Zu diesem Ergebnis kommt das Finanzgericht Hamburg in einem aktuellen Urteil.

Hintergrund

Die Ehepartner hatten im Jahr 2001 eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet, die sie nach Inkrafttreten des Eheöffnungsgesetzes im November 2017 in eine Ehe umwandelten. Die Kläger beantragten die Zusammenveranlagung nachträglich für alle Jahre seit Beginn ihrer Lebenspartnerschaft.

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied zugunsten der Kläger, dass entsprechend dem Eheöffnungsgesetz nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Lebenspartner der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft maßgebend ist. Die Lebenspartner sind damit so zu stellen, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten.

Das Eheöffnungsgesetz stellt ein rückwirkendes Ereignis dar, sodass eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide ab 2001 möglich und gerechtfertigt ist.

6. Wann ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen auf Einkommensteuervorauszahlungen zulässig?

Wann die Festsetzungsfrist für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen auf hinterzogene Steuervorauszahlungen beginnt, ist weder ausdrücklich gesetzlich geregelt noch höchstrichterlich geklärt. Das gilt auch für die Frage, nach welchen Maßstäben der Zinslauf zu berechnen ist. Nun hat aber der Bundesfinanzhof die Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.

Hintergrund

Die Kläger erstatteten Ende 2014 Selbstanzeige. Mit dieser erklärten sie bisher nicht versteuerte Kapitalerträge aus einer Geldanlage in Liechtenstein für die Jahre 2003 bis 2013 nach. Das Finanzamt änderte daraufhin die Einkommensteuer-Bescheide für diese Veranlagungszeiträume. Darüber hinaus setzte es Hinterziehungszinsen auf hinterzogene Einkommensteuer-Vorauszahlungen einschließlich Solidaritätszuschlag für die Jahre ab 2004 fest. Dazu ergänzte es die ursprünglich den Vorauszahlungen zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen um jene, die zum Festsetzungszeitpunkt dem Finanzamt hätten offenbart werden müssen.

Der Einspruch gegen die Festsetzung der Hinterziehungszinsen auf die Vorauszahlungen hatte keinen Erfolg.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage überwiegend als unbegründet ab. Zur Begründung führten die Richter aus: Die Festsetzungsfrist für Hinterziehungszinsen auf hinterzogene Einkommensteuer-Vorauszahlungen beginnt mit Ablauf des Tages, an dem letztmals geänderte Vorauszahlungsbescheide hätten erlassen werden können. Für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen auf hinterzogene Vorauszahlungen ist nicht erforderlich, dass die hinterzogene Steuer zuvor festgesetzt wurde. Die hinterzogene Steuer berechnet sich aus der Differenz zwischen den tatsächlich festgesetzten Vorauszahlungen und den Vorauszahlungen, die bei stets pflichtgemäßen und wahrheitsgemäßen Angaben festgesetzt worden wären.

Der Zinslauf der Hinterziehungszinsen auf Einkommensteuer-Vorauszahlungen beginnt zum Zeitpunkt der Fälligkeit bzw. in Fällen, in denen eine nachträgliche Festsetzung oder Anpassung von Vorauszahlungen erfolgte, zum Zeitpunkt der Festsetzung. Der Zinslauf ist auf den Zeitraum bis zum Beginn der Vollverzinsung der Jahressteuer zu begrenzen.

7. Keine Kostendeckelung bei der 1 %-Regelung

Die nach der 1 %-Regelung ermittelte Nutzungsentnahme muss nicht auf 50 % der Gesamtaufwendungen für einen privat genutzten, betrieblichen Pkw begrenzt werden. Der Bundesfinanzhof sieht insoweit keine verfassungsrechtlich gebotene Notwendigkeit.

Hintergrund

Der Immobilienmakler X hielt im Betriebsvermögen einen gebraucht erworbenen Pkw, den er auch privat nutzte. Der Kaufpreis lag deutlich unter dem Listenpreis von 64.000 EUR einschließlich Umsatzsteuer. X ermittelte die Gesamtkosten mit rund 11.000 EUR und setzte 50 % dieser Kosten (5.500 EUR) für die private Nutzung an. Ein Fahrtenbuch führte er nicht.

Das Finanzamt berechnete den Wert der Nutzungsentnahme nach der 1 %-Regelung mit 7.680 EUR (1 % x 64.000 EUR x 12 Monate) und erhöhte den Gewinn entsprechend. Mit seiner Klage beantragte X, die Nutzungsentnahme auf maximal 50 % der Gesamtkosten zu begrenzen. Das Finanzgericht wies die Klage zurück.

Entscheidung

Auch vor dem Bundesfinanzhof hatte X keinen Erfolg, seine Revision wurde zurückgewiesen. In seiner Urteilsbegründung bestätigte der Bundesfinanzhof sowohl die Anknüpfung der 1 %-Regelung an den Listenpreis als auch die Bewertung des Nutzungsvorteils mit dem 1 %-Wert. Es handelt sich für beide Bewertungen um eine zwingende, stark typisierende und pauschalierende Regelung, die nur durch das Führen eines Fahrtenbuchs umgangen werden kann. Deshalb bleiben individuelle Besonderheiten hinsichtlich der Art der Nutzung des Kfz ebenso unberücksichtigt wie nachträgliche Änderungen des Fahrzeugwerts. Dementsprechend ist der inländische Listenpreis auch dann maßgeblich, wenn das Fahrzeug gebraucht angeschafft oder ein Großteil der Anschaffungskosten bereits als Betriebsausgaben geltend gemacht wurde.

Diese Typisierung überschreitet nicht die Grenzen des Zulässigen. Denn zum einen betrifft sie einen Bereich, in dem wegen der engen Verknüpfung zwischen privater und betrieblicher Sphäre einzelfallbezogene Ermittlungen der Finanzverwaltung nahezu ausgeschlossen sind. Zum anderen ist die 1 %-Regelung nicht als zwingende und unwiderlegbare Typisierung konzipiert, da sie durch den Nachweis des tatsächlichen Sachverhalts mittels eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs vermieden werden kann.

Entgegen der Meinung des X ist die Nutzungsentnahme auch nicht auf 50 % der Gesamtkosten zu begrenzen. In Fällen, in denen der pauschale Nutzungswert die gesamten Kfz-Aufwendungen übersteigt, ist die zu versteuernde Nutzungsentnahme auf die Gesamtaufwendungen zu beschränken. Deshalb hat der Bundesfinanzhof keine Bedenken im Hinblick auf eine Übermaßbesteuerung.

8. Erste Tätigkeitsstätte: Was gilt bei einer Fortbildungseinrichtung?

Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen sind bei einer mehr als 3-monatigen Vollzeitfortbildung nicht als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar. Die gesetzlichen Regelungen zur Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte bei Bildungseinrichtungen sind insoweit eindeutig.

Hintergrund

Der Kläger beendete sein Arbeitsverhältnis zum 31.7.2014 und absolvierte anschließend vom 8.9. bis 18.12.2014 einen Vollzeitlehrgang, um eine Zusatzqualifikation zu erlangen. In seiner Einkommensteuererklärung 2014 machte er u. a. die Kosten für die Unterkunft am Fortbildungsort und Verpflegungsmehraufwendungen für 3 Monate geltend.

Das Finanzamt erkannte die Kosten nicht an, denn die Bildungseinrichtung war als erste Tätigkeitsstätte einzuordnen. Ein Reisekostenabzug schied damit aus.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht lehnte einen Abzug der Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen ab. Nach der gesetzlichen Regelung gilt auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird, als erste Tätigkeitsstätte. Deshalb war die Bildungseinrichtung im vorliegenden Fall als erste Tätigkeitsstätte zu werten. Die befristete Lehrgangsdauer von nur gut 3 Monaten stand dieser Einordnung nicht entgegen. Denn der Gesetzeswortlaut setzt keinen Mindestzeitraum für die Bildungsmaßnahme voraus.

9. Wann liegt eine mehraktige Berufsausbildung vor?

Diese Frage sorgt immer wieder für Streit zwischen Familienkasse und Eltern. Hier entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg, dass eine mehraktige Berufsausbildung vorliegt, wenn das Kind schon bei Aufnahme eines Bachelorstudiums ein Berufsziel hatte und es im Anschluss an den Abschluss des Bachelorstudiums ein Masterstudium aufnimmt, dessen erfolgreicher Abschluss Voraussetzung für die Erreichung dieses Berufsziels ist.

Hintergrund

Die Tochter der Klägerin hatte ihr Bachelorstudium im Studiengang Betriebswirtschaftslehre am 30.9.2015 mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Ihr Ausbildungsbetrieb beschäftigte sie seit 1.10.2015 in Vollzeit. Zeitgleich begann die Tochter ein berufsbegleitendes Masterstudium. Nach Auffassung der Familienkasse bestand seit Oktober 2015 kein Anspruch auf Kindergeld mehr, da das Masterstudium ein weiterbildender Studiengang war, der die Erstausbildung nicht fortführte.

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass die erstmalige Berufsausbildung der Tochter erst mit dem Abschluss des Masterstudiums abgeschlossen sein wird. Eine erstmalige Berufsausbildung muss nicht mit dem ersten objektiv berufsqualifizierenden Abschluss erfüllt sein. Entscheidend war das angestrebte Berufsziel und ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsganges darstellte. Das angestrebte Berufsziel musste spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses der vorangegangenen Ausbildungsmaßnahme feststehen und aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein.

Im vorliegenden Fall standen die Ausbildungsabschnitte zueinander in einem engen sachlichen sowie zeitlichen Zusammenhang. Es bestand auch eine inhaltliche Verknüpfung zwischen Master- und Bachelorstudium.

Dabei spielt keine Rolle, dass das Bachelorstudium mit dem Bachelor of Arts, das Masterstudium hingegen mit dem Master of Science abgeschlossen wird.

10. Vermietung einer Einliegerwohnung als Homeoffice an den Arbeitgeber: Welche Werbungskosten können abgezogen werden?

Bei gewerblicher Vermietung darf die Einkünfteerzielungsabsicht nicht typisiert, sondern muss im Einzelfall festgestellt werden. Das gilt auch bei der Vermietung einer als Homeoffice genutzten Wohnung an den Arbeitgeber, bei der hohe Kosten durch eine Renovierung entstehen.

Hintergrund

Die Eheleute bewohnen in ihrem Haus die Wohnung im Obergeschoss. Die Einliegerwohnung im Erdgeschoss vermieteten sie als Homeoffice an den Arbeitgeber des Ehemanns M. M betrieb seine Tätigkeit als Vertriebsleiter für den Arbeitgeber von dieser Wohnung aus. Der Mietvertrag ist an den Arbeitsvertrag des M gebunden. Die Eheleute sind jeweils zu 1/2 Eigentümer des bebauten Grundstücks.

Für 2012 erklärten sie einen Werbungskostenüberschuss von 29.900 EUR. Dieser resultierte insbesondere aus der Renovierung des Badezimmers in der vermieteten Wohnung in Höhe von 26.000 EUR.

Das Finanzamt verweigerte die Anerkennung der Kosten, soweit sie auf das Badezimmer entfielen. Das Finanzgericht berücksichtigte dagegen im Schätzungswege rund 1/3 der für das Bad aufgewandten Kosten als Werbungskosten.

Entscheidung

Bei einer auf Dauer angelegten Vermietung ist typisierend davon auszugehen, dass der Vermieter beabsichtigt, einen Einnahmeüberschuss zu erzielen. Das gilt auch dann, wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben. Dieser Grundsatz gilt jedoch nur für die Vermietung von Wohnungen, nicht für die Vermietung von Gewerbeimmobilien. Bei diesen wird die Einkünfteerzielungsabsicht nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht typisierend vermutet. Bei Gewerbeimmobilien muss vielmehr die Überschusserzielungsabsicht konkret im Einzelfall festgestellt werden.

Gewerbeimmobilien sind dabei alle Immobilien, die nicht zu Wohnzwecken dienen. Dazu zählen daher auch Räumlichkeiten des Arbeitnehmers, die dieser dem Arbeitgeber zur ausschließlichen Erfüllung von dessen betrieblichen Zwecken vermietet. Entscheidend ist die im Mietvertrag vereinbarte und damit verbindlich festgelegte Art der Nutzung. Die Einliegerwohnung war deshalb als Gewerbeimmobilie zu behandeln, mit der Folge, dass die Einkünfteerzielungsabsicht durch eine objektbezogene Überschussprognose überprüft werden musste. Dafür sprach auch die Koppelung des Mietvertrags mit dem Arbeitsverhältnis.

Da das Finanzgericht keine einzelfallbezogene Überschussprognose vorgenommen hatte, verwies der Bundesfinanzhof die Sache zur Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht an das Finanzgericht zurück. Dabei sind die Renovierungsaufwendungen insgesamt inklusive des Badezimmers in die Prognose einzubeziehen, da sich der Mietvertrag auf die gesamte Wohnung bezog.

11. Keine offenbare Unrichtigkeit bei fehlerhafter Einschätzung des Finanzbeamten

Ob ein Steuerbescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit geändert werden kann, ist manchmal Glückssache. Bei einer falschen rechtlichen Erwägung eines Finanzbeamten jedenfalls ist diese Korrekturmöglichkeit ausgeschlossen.

Hintergrund

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft. In der Steuererklärung für das Jahr 2010 erklärte sie nicht abziehbare Gewerbesteuer von 2.531 EUR bei einem Jahresfehlbetrag von 15.978 EUR. Die Gewerbesteuer, die als Forderung aktiviert war, hätte diesem Fehlbetrag hinzugerechnet und nicht abgezogen werden müssen. Obwohl er den Jahresabschluss nebst Erläuterungen vorliegen hatte, korrigiert der Bearbeiter im Finanzamt dies jedoch nicht. Der Bearbeiter unterstrich zwar bei der Bearbeitung den Betrag der nicht abziehbaren Gewerbesteuer und verwies auf den Bilanzbericht. Trotzdem erließ er Bescheide, die ein negatives Einkommen von 13.265 EUR auswiesen. Diese wurden bestandskräftig. In 2013 beantragte die Klägerin die Änderung der Festsetzung wegen einer offenbaren Unrichtigkeit. Das Finanzamt lehnte die Änderung ab.

Entscheidung

Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Das Gericht sah die Voraussetzungen für eine Berichtigung der bestandskräftigen Bescheide wegen einer offenbaren Unrichtigkeit hier nicht als erfüllt an. Zwar kann die Finanzverwaltung Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit innerhalb der Feststellungsfrist berichtigen. Bei einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit dürfen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Veranlagungsbeamte rechtliche Überlegungen angestellt hat. Ansonsten kommt eine Änderung nicht in Betracht.

Davon ausgehend waren vorliegend die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Denn durch die handschriftliche Bemerkung des Sachbearbeiters auf der Klärung und den Verweis auf den Bilanzbericht war ersichtlich, dass der Sachbearbeiter sich sachlich mit dem Fall auseinandergesetzt und sodann eine erklärungsgemäße Veranlagung vorgenommen hatte. Zwar hatte er damit die falschen Angaben der Klägerin übernommen, aufgrund der Vorgehensweise stand aber fest, dass er eigene, wenn auch falsche rechtliche Überlegungen anstellte.

12. Arbeitslohn oder kein Arbeitslohn: Was gilt bei Schadensersatz wegen überhöhter Einkommensteuer-Festsetzung

Kommt es wegen eines Fehlers des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer zu einer überhöhten Einkommensteuer-Festsetzung und leistet der Arbeitgeber daraufhin eine Schadensersatzzahlung, liegt kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor. Das gilt zumindest dann, wenn dem Arbeitnehmer tatsächlich ein Schaden entstanden ist.

Hintergrund

Dem X stand als Leiter einer Behörde ein Dienstwagen nebst Fahrer auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Über die Fahrten wurden Aufzeichnungen in einer Loseblattsammlung geführt, die später durch andere Personen in ein gebundenes Buch übertragen wurden. Das Finanzamt verweigerte die Anerkennung der tatsächlichen Kosten, da kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorlag. Gegenüber X erließ es geänderte Einkommensteuer-Bescheide, die aufgrund der Anwendung der 1 %-Regelung zu einer höheren Einkommensteuer führten.

X meldete diesen Vorgang der Haftpflichtversicherung seiner Arbeitgeberin, da ihm durch die Steuererhöhung ein Schaden entstanden war. Diesen hatte seine Arbeitgeberin verschuldet, da sie ihrer Überwachungspflicht hinsichtlich der Führung der Fahrtenbücher nicht nachgekommen war. Die Versicherung zahlte an X pauschal 50.000 EUR. Diese Zahlung behandelte das Finanzamt als Arbeitslohn des X und erließ einen geänderten Einkommensteuer-Bescheid. Mit seiner dagegen gerichteten Klage hatte X vor dem Finanzgericht Erfolg.

Entscheidung

Bezüge und Vorteile gelten dann als Arbeitslohn, wenn sie durch das Dienstverhältnis veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn die Einnahmen mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit darstellen. Sie müssen sich also als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft erweisen. Arbeitslohn liegt dagegen nicht vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Schaden ersetzt, den dieser infolge einer Pflichtverletzung des Arbeitgebers erlitten hat. Eine Schadensersatzleistung des Arbeitgebers wegen einer von ihm verursachten höheren Einkommensteuer-Festsetzung aufseiten des Arbeitnehmers führt bei diesem daher nicht zum Zufluss von Arbeitslohn.

Im Zweifel muss der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung des Arbeitgebers und die dadurch verursachte Erhöhung der Einkommensteuer und darüber hinaus nachweisen, dass die Ersatzleistung dem Ausgleich des Schadens diente.

Im vorliegenden Fall hatte das Finanzgericht jedoch offengelassen, ob und in welcher Höhe dem X tatsächlich ein Schadensersatzanspruch zustand. Aus den eingeholten Rechtsgutachten und der Zahlung ergab sich keine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen eines Schadensersatzanspruchs.

Der Bundesfinanzhof verwies den Fall an das Finanzgericht zurück. Dieses muss insbesondere ermitteln, ob die Arbeitgeberin gegenüber dem X zur Prüfung des Fahrtenbuchs verpflichtet war, ob sie die Eintragungen auf Ordnungsmäßigkeit hätte überprüfen müssen und ob ein Schadensersatzanspruch überhaupt gegeben war.

13. Was gehört zur Bemessungsgrundlage bei der Grunderwerbsteuer?

Wird ein Grundstück von einer Person erworben, die zur Veräußererseite gehört und bestimmenden Einfluss auf die Bebauung hat, werden die Bauerrichtungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen.

Hintergrund

Kläger X war als Immobilienmakler tätig. Zusammen mit einem Bauunternehmen entwickelte er ein Konzept für die Bebauung eines Grundstücks und die Vermarktung der entstehenden Eigentumswohnungen. Danach bestellte die Eigentümerin des Grundstücks Erbbaurechtsanteile, wobei jeder Miterbbaurechtsanteil mit einer bestimmten Wohnung verbunden war. X und das Bauunternehmen erstellten ein Exposé, das genaue Angaben über Wohnfläche, Erbpacht, Lage und Ausstattung der Wohnungen sowie den Kaufpreis enthielt und mit dem der Erwerb einer Wohnung aus einer Hand angeboten wurde. Ansprechpartner war X. Er selbst erwarb im September 2011 einen Miterbbaurechtsanteil verbunden mit einer Wohnung. Im Dezember 2011 schloss er den Bauerrichtungsvertrag mit dem Bauunternehmen.

Bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer gegen X bezog das Finanzamt auch die Herstellungskosten der Wohnung in die Bemessungsgrundlage ein. Die dagegen gerichtete Klage des X scheiterte vor dem Finanzgericht.

Entscheidung

Mit seiner Revision vor dem Bundesfinanzhof hatte X dagegen Erfolg. Zur Begründung verwiesen die Richter auf ihre ständige Rechtsprechung: Ergibt sich aus neben dem Grundstückskaufvertrag abgeschlossenen weiteren Vereinbarungen, die mit dem Kaufvertrag in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand. Ein solcher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen liegt vor, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in bebautem Zustand erhalten werde.

Diese Grundsätze gelten jedoch nicht, wenn das Grundstück von einer zur Veräußererseite gehörenden Person mit bestimmendem Einfluss auf die Bebauung erworben wurde. Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist in diesem Fall das unbebaute Grundstück. Für den Erwerb eines Grundstücks im bebauten Zustand (einheitlicher Erwerbsgegenstand) ist typisch, dass der Erwerber in seinen Möglichkeiten, den Grundstücksverkäufer und auch den Bauunternehmer selbst zu bestimmen, eingeschränkt ist. Demgegenüber ist eine Person, die zur Veräußererseite gehört und bei der Bebauung maßgebend mitwirkt, grunderwerbsteuerrechtlich nicht Erwerber eines unbebauten Grundstücks im Zustand der späteren Bebauung, sondern Bauherr.

X hatte auf die Errichtung der Wohnanlage maßgebend Einfluss genommen und gehörte aufgrund der Absprachen mit der Grundstückseigentümerin zur Veräußererseite.

Die Bauerrichtungskosten waren deshalb nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen.

14. Jederzeit warmes Wasser dürfen Mieter auch im Sommer erwarten

Auch wenn draußen heißer Sommer herrscht, muss der Vermieter die Warmwasserversorgung in der Wohnung sicherstellen. Tut er dies nicht, kann der Mieter im Notfall eine einstweilige Verfügung gegen den Vermieter erwirken.

Hintergrund

Die Mieterin einer Wohnung stellte am 30.6.2017 fest, dass Heizung und Warmwasserversorgung nicht funktionierten. Der Heizöltank war leer, weil die Vermieterin nicht rechtzeitig Nachschub bestellt hatte. Noch am selben Tag versuchte die Mieterin, die Vermieterin telefonisch und per SMS über den Ausfall zu informieren. Am 4.7.2017 forderte die Mieterin zunächst per Anwaltsschreiben, die Heizungs- und Warmwasserversorgung wiederherzustellen, und beantragte, nachdem sich nichts getan hatte, den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Nach Einreichung des Antrags ließ die Vermieterin Heizöl liefern und setzte Heizung und Warmwasserversorgung wieder in Gang. Daraufhin erklärte die Mieterin ihren Antrag für erledigt. Das Gericht musste nun noch über die Kosten des Verfahrens entscheiden.

Entscheidung

Das Landgericht entschied, dass die Vermieterin die Kosten des Verfügungsverfahrens tragen muss. Denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hätte Erfolg gehabt.

Zur Begründung führten die Richter aus: Ein Vermieter ist verpflichtet, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Dies umfasst auch die Versorgung mit Heizung und Warmwasser. Mieter müssen vor Heizungsausfällen bewahrt bzw. bei einem Ausfall die Funktionsfähigkeit von Heizung und Warmwasserversorgung wiederhergestellt werden.

Die Angelegenheit war eilbedürftig, sodass eine Regelung per einstweiliger Verfügung gerechtfertigt gewesen wäre. Dem steht nicht entgegen, dass Hochsommer war. Bei hohen Außentemperaturen könnte man zwar einen Ausfall der Heizung hinnehmen, nicht aber den Ausfall des Warmwassers. Es ist einem Mieter aufgrund des erhöhten Bedarfs an Körperhygiene nicht zuzumuten, aufgrund einer bloßen Nachlässigkeit des Vermieters wochenlang auf Warmwasser verzichten zu müssen. Der Mieter konnte nicht auf alternative Möglichkeiten zur Wassererwärmung, etwa mit einem Wasserkocher, verwiesen werden. Denn im Haushalt lebten auch Kinder.

15. Betriebskosten: Umlegung muss im Mietvertrag vereinbart sein

Sind im Mietvertrag bestimmte Betriebskosten nicht als umlagefähig vereinbart worden und fallen diese seit Bestehen des Mietvertrags an, kann der Vermieter diese Aufwendungen nicht nachträglich auf den Mieter umlegen.

Hintergrund

Im Mietvertrag wurden bei den umlagefähigen Betriebskosten die Positionen "Hausreinigung" und "Gartenpflege" gestrichen. Der Mietvertrag sieht vor, dass der Vermieter nur neu eingeführte Betriebskosten auf die Mieter umlegen kann.

In einer Betriebskostenabrechnung legte der Vermieter Aufwendungen für die Gebäude- und Gartenpflege sowie Flur- und Treppenhausreinigung von insgesamt 750 EUR auf die Mieter um. Die Mieter sind der Ansicht, dass sie sich an diesen Kosten nicht beteiligen müssen.

Entscheidung

Die Klage der Mieter hatte Erfolg. Das Gericht entschied, dass sie keine Kosten für Gebäude- und Gartenpflege sowie Flur- und Treppenhausreinigung tragen müssen. Denn deren Umlage war nicht wirksam vereinbart.

Im Mietvertrag war nur die Umlage konkreter Betriebskosten vereinbart. Die Umlagevereinbarung beruht zwar auf dem Betriebskostenkatalog. Bezüglich der gestrichenen Betriebskostenarten war es jedoch zu Beginn des Mietverhältnisses zu keiner wirksamen Umlagevereinbarung gekommen.

Ein Anspruch auf Umlage der Reinigungs- und Gartenpflegekosten ergab sich auch nicht aus der Regelung im Mietvertrag, wonach der Vermieter neu eingeführte Betriebskosten auf die Mieter umlegen kann. Vorliegend wurden aber keine neuen Gebühren begründet. Vielmehr wollte der Vermieter Kosten, die bereits bei Vertragsschluss umlagefähig waren, entgegen der ursprünglichen Vereinbarung auf die Mieter umlegen. Die Umlagefähigkeit hätte jedoch in den Mietvertrag aufgenommen werden müssen, um diese später auch tatsächlich umlegen zu können.

Auch eine Umlage weiterer, zunächst nicht als umlagefähig vereinbarter Nebenkosten ist jederzeit möglich. Voraussetzung dafür ist eine Vereinbarung zwischen den Mietparteien, insbesondere muss ein Einverständnis des Mieters vorliegen. Dieses lag hier nicht vor. Einseitig konnte der Vermieter von sich aus nicht die Umlagefähigkeit von Betriebskosten regeln.

16. Carport auf Stellplatz trotz herunterfallender Früchte unzulässig

Besteht ein Sondernutzungsrecht an einem Stellplatz, berechtigt dies nicht zum Bau eines Carports, um das Auto vor Kastanien und Harz zu schützen. Dies gilt zumindest dann, wenn der Baum schon vor dem Stellplatz da war.

Hintergrund

Eine Wohnungseigentümerin wollte auf einem Stellplatz, an dem ihr ein Sondernutzungsrecht zustand, ein Carport errichten. Neben dem Stellplatz stand eine große Kastanie, die bei Zuweisung des Sondernutzungsrechts bereits über 60 Jahre alt war. Die Eigentümerin sah sich in der Nutzung ihres Stellplatzes durch herabfallende Kastanien, heruntertropfendes Baumharz und möglichen Astbruch gehindert. Mit dem Carport wollte sie ihr Fahrzeug vor diesen Einflüssen schützen. Auf dem Grundstück befanden sich keine anderen Carports.

Entscheidung

Nach dem Urteil des Landgerichts waren die übrigen Wohnungseigentümer nicht gegenüber der Klägerin verpflichtet, der Errichtung eines Carports auf ihrer Sondernutzungsfläche zuzustimmen.

Nur weil die Sondernutzungsfläche als Stellplatz vorgesehen war, musste die Gemeinschaft nicht eine vor herabfallenden Kastanien und tropfendem Baumharz geschützte Nutzung sicherstellen. Der Baum war bei Aufteilung des Grundstücks und bei Zuweisung des Sondernutzungsrechts bereits vorhanden. Daher war das Sondernutzungsrecht von Anfang an durch einen existierenden Kastanienbaum eingeschränkt. Die von diesem Baum ausgehenden Beeinträchtigungen, die allein auf den Gegebenheiten der Natur beruhen, musste die Eigentümerin deshalb hinnehmen.

Herabfallende Kastanien und Baumharz sind natürliche Erscheinungen als Folge natürlicher Gegebenheiten. Dass die Eigentümer oder die Gemeinschaft den Baum vernachlässigt hätten und deshalb von dem Baum besondere Gefahren ausgingen, war nicht ersichtlich.

Darüber hinaus war der Bau eines Carports keine Maßnahme der Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, sondern eine bauliche Veränderung. Ein Sondernutzungsrecht berechtigte nicht zur Vornahme baulicher Veränderungen. Das galt auch für die Errichtung eines Carports auf einem Stellplatz.

Da zudem ein Carport deutlich sichtbar wäre und auf dem Grundstück auch keine anderen Carports vorhanden waren, hätte der Bau optische Auswirkungen, die die übrigen Wohnungseigentümer mehr als nur unerheblich beeinträchtigten.

Auch ohne die Errichtung des Carports war die Nutzung des Stellplatzes möglich. Denn zum einen war nur im Sommer und Herbst mit Ausscheidungen des Baumes beziehungsweise Fruchtfall zu rechnen. Zum anderen bestanden andere Möglichkeiten, ein abgestelltes Fahrzeug zu schützen. Es war der Eigentümerin nicht unzumutbar, ihr Fahrzeug beim Parken auf dem Stellplatz zeitweise abzudecken, um es vor Beschädigungen zu bewahren.


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Stephan Gißewski
Steuerberater


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